Anfang November hielt Ednan Aslan einen Vortrag zum Thema „Jihadistische Gefährdung“ im Wiener Stadtschulrat. Im Auftrag des Verfassungsschutzes erläuterte der Religionspädagoge vor rund 180 Lehrkräften die vermeintlichen Anzeichen einer Radikalisierung von jungen Menschen. Während Medien und Öffentlichkeit sich seit Wochen mit der umstrittenen Novellierung des Islamgesetzes beschäftigen, fand die Infoveranstaltung nur wenig redaktionellen Raum.
Neben einigen sehr allgemeinen Artikeln, beleuchtete lediglich das Wiener Stadtmagazin „Biber“ mit dem Titel „Findet den Jihadisten“ die beunruhigenden Äußerungen des Vortragenden. Aslan selbst tritt seit Wochen als Fürsprecher für das neue Islamgesetz auf. In einer Fernsehdebatte ritt er jüngst Angriff um Angriff gegen die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, der er Radikalisierungstendenzen unterstellt. Pikantes Detail am Rande: Es stört den Pädagogen nicht, als ehemaliger Anhänger des Kalifen von Köln oder einer in Deutschland verbotenen mit Khomeini sympathisierenden Bewegung bezeichnet zu werden.
Bei der besagten Veranstaltung in Wien zeichnete Aslan ein düsteres Bild. Ein junger Mensch könne sich innerhalb weniger Wochen zu einem Jihadisten transformieren. Dazu reiche ein Vollbart gepaart mit einem häufigen Besuch des Freitagsgebetes in einer bestimmten Moschee. Eine weitere Problematik sei die Verwendung der Worte „Subhan Allah“ oder „Yani“. Während Ersteres ein Ausdruck des Lobes für Gott ist, handelt es sich bei Zweitem um eine arabisch-türkische Sprachfloskel, die unter Jugendlichen so gängig ist wie der Ausruf „echt?“.
Ednan Aslan als Kronzeuge für die schweigende Mehrheit?
Es ist schockierend zu sehen, dass ein Vortragender bei einer derart wichtigen Veranstaltung mit Begrifflichkeiten, die er nicht näher erläutert, um sich wirft. In einem Raum mit womöglich wenig bis keinen religionswissenschaftlich ausgebildeten Lehrern, derartige Äußerungen zu tätigen, ist fahrlässig und gefährlich. Pädagogen erhalten ein vermeintlich einfaches Muster, um potentielle Jihadisten aufzuspüren. Dass eine derartige Rasterfahndung zu einer Verunglimpfung und unverantwortlichen Pauschalisierung von muslimischen Jugendlichen führt, schien den Veranstaltern nicht bewusst zu sein. Wie soll ein Lehrer an einer österreichischen Schule erkennen, ob es sich um eine Radikalisierung, den Beginn des religiösen Praktizierens oder ein Pausengespräch unter Jugendlichen handelt, wenn derartige Personen als pädagogische Koryphäen präsentiert werden?
Seit Wochen tritt Aslan als Kronzeuge für die angeblich schweigende Mehrheit der Muslime auf. Der Kritik an seiner Person, wie etwa seiner politischen Vergangenheit oder die lediglich dreijährige – von ihm nicht näher erläuterte – theologische Ausbildung, setzt er nichts entgegen. Die Motivation seiner Argumentationsmuster erschließt sich letztlich nicht so einfach. Geht es um die Sicherheit unseres Landes, einer umfassenden und womöglich globalen Islamreform oder die eigene Karriere? Traurig stimmt einem das blinde Vertrauen von öffentlichen Einrichtungen in eine derart umstrittene Person. In einer Zeit wo mehr denn je Besonnenheit und gemeinsamer Dialog gefordert sind, sollte nicht ein einziger Pädagoge zum Zünglein an der Waage werden. Das hat sich weder Österreich noch seine muslimischen Bürger verdient.
Ein Kommentar von Herausgeber Karim Saad.
Bild: Parlamentsdirektion / Bildagentur Zolles / Mike Ranz
UPDATE:
Aufgrund einer Klagsdrohung durch Ednan Aslan, sieht sich das Team von KISMET Online zu einer Stellungnahme zum Kommentar „Auf der Suche nach den Jihadisten“ gezwungen: Die im Kommentar erwähnten Aussagen von Ednan Aslan sind während des Vortrages vor dem Wiener Stadtschulrat gefallen. Zudem finden sich diese auf den von Ednan Aslan’s gezeigten Folien, die KISMET Online als digitale Kopie vorliegen. Die Aussagen in Bezug auf seine Vergangenheit fielen im Rahmen der Puls 4 Sendung „Pro und Contra“ am 20.10.2014. Ednan Aslan quittierte die Vorwürfe in Bezug auf seine mögliche politische Vergangenheit mit einem Schweigen. Ebenfalls in dieser Sendung bestätigte Ednan Aslan eine dreijährige theologische Ausbildung. Ein weiteres Protokoll des Vortrags kann auf der Webseite des Wiener Stadtmagazins „Biber“ nachgelesen werden.
UPDATE 2:
In einer zweiten Email bittet Ednan Aslan um die Veröffentlichung seiner Nachricht, dem wir hierbei gerne nachkommen:
Sehr geehrter Herr Saad,
ich möchte ungern dieses Problem eskalieren lassen. Mir liegt nicht an einer Konfrontation. Aber diese Unterstellungen entsprechen weder dem Inhalt meines
Vortrages noch treffen diese Behauptungen in irgend einer Weise auf meine Vergangenheit zu. Das von Ihnen erwähnte Zitat stammt nicht von mir, sondern von Herrn Ahmad Mansour, der über 100 junge radikalisierte Menschen betreut hat, bzw. noch betreut. (siehe: https://www.bpb.de/politik/extremismus/islamismus/193521/salafistische-radikalisierung-und-was-man-dagegen-tun-kann)
Es wäre für mich keine Schande mich von einer unzeitgemäßen Vergangenheitsideologie zu distanzieren. Ich war jedoch niemals ein Anhänger des Kalifen von Köln oder einer in Deutschland verbotenen mit Khomeini sympathisierenden Bewegung.
Ich bitte Sie höfflich, diese falsche Darstellung zu korrigieren, damit wir dadurch weitere Unannehmlichkeiten vermeiden.